In Deutschland leben schätzungsweise drei bis vier Millionen Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil; etwa 175 000 machen jedes Jahr die Erfahrung, dass Mutter oder Vater stationär psychiatrisch behandelt werden. Sie alle sind in vielfältiger Weise durch die elterliche Erkrankung betroffen.
Kinder psychisch erkrankter Eltern tragen ein deutlich erhöhtes Risiko für Entwicklungsauffälligkeiten und eigene psychische Störungen. Neben einer genetisch bedingten erhöhten Vulnerabilität sind hierfür gravierende Stressbelastungen im Zusammenleben mit dem erkrankten Elternteil bedeutsam. Studien belegen, dass sich das Aufwachsen mit einem erkrankten Elternteil sehr nachhaltig auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder auswirken kann und oft lebenslange Spuren hinterlässt.
In dem Modellprojekt „Pegasus“ haben die Mitarbeitenden des bsj Marburg des Öfteren erleben müssen, dass in der Familie nicht über die elterliche Erkrankung gesprochen wurde. Vielfach waren die Elternteile der Überzeugung, das Kind würde die Folgen der Erkrankung nicht spüren. Eine Mutter eines von uns begleiteten Kindes sagte: „Mein Kind merkt das nicht, dass es mir schlecht geht. Ich reiße mich tagsüber zusammen und weine nur, wenn das Kind im Bett ist“.
Das Wahren des Familiengeheimnisses macht in vielerlei Hinsicht sprachlos. Es verhindert die Kommunikation und Entlastung innerhalb der Familie, es erschwert Kindern das Anvertrauen gegenüber Dritten, es verkompliziert die Beziehungen zu Gleichaltrigen und erschwert Freundschaften.
Diese Sprachlosigkeit zu überwinden und den Eltern Beratungen anzubieten, um das Tabu der Krankheit innerfamiliär zu brechen, muss noch sehr viel stärker als bisher in der Fachöffentlichkeit thematisiert werden.
Dies hat Prof. Dr. Albert Lenz in seinem Vortrag Stigmatisierung und Tabuisierung – Förderung der Kommunikation in Familien mit psychisch erkrankten Eltern(-teilen) hervorragend verdeutlich und begründet sowie Zugänge und Wege aus der Sprachlosigkeit aufgezeigt. Die ppt zum Vortrag ist hier abrufbar.
Der Fachtag bot auch die Gelegenheit die Wirkungen des Modellprojektes Pegasus aus interner und externer Sicht vorzustellen. Frau Laura Holtmann hat in ihrer Masterthesis das Modellvorhaben „Pegasus“ wissenschaftlich evaluiert und ihre Ergebnisse auf dem Fachtag dargelegt. Die ihre Ausführungen begleitete ppt ist hier einsehbar.