Haben Sie schon einmal probiert, in eine rohe Spaghetti einen Knoten zu machen? Diese und weitere Aufgaben wurden den Teilnehmenden des Fachtags „Das Abenteuer um die Ecke“ am 12. Juni in Marburg gestellt. Ziel des Fachtags war es, die Stadt als pädagogisches Handlungsfeld für die Teilnehmenden erfahrbar zu machen.
So schlüpften pädagogische Fachkräfte selbst in die Rolle ihrer, in der Regel jugendlichen, Teilnehmenden und lösten mit Unterstützung engagierter Marburgerinnen verschiedene Aufgaben. Beispielsweise wurde eine Spaghetti in Teetassen von Café-Gästen erwärmt und anschließend verknotet, 20 Passantinnen mit unterschiedlichsten Kriterien für ein Gruppenfoto gewonnen, und vor einem anderen Café in Marburg konnte man Menschen in komplizierten Yoga-Posen beobachten.
Mit diesen Aufgaben möchte der pädagogische Ansatz City Bound Jugendliche dazu ermutigen, mit fremden Menschen in Kontakt und Kommunikation zu treten und ihre Angst vor ungewohnten Situationen abzubauen. Sie sollen darin bestärkt werden, für ihre Anliegen einzutreten und diese auszudrücken. Die Teilnehmenden dieses Workshops erlebten selbst, wie herausfordernd solche Aufgaben sein können, und waren begeistert von der Hilfsbereitschaft der Marburger*innen.
In einem weiteren Workshop wurde die Stadt „unter die Lupe genommen“. Wo finden sich Orte, an denen Jugendliche Platz haben und sich aufhalten können? Welche Orte sind eher ablehnend und machen Angst? Welche Plätze laden zum Verweilen ein? Die sozialen Fachkräfte gingen mit Kameras auf Entdeckungsreise, ihre Ergebnisse wurden anschließend in den Marburger Stadtplan eingetragen und diskutiert. Diese Methode der Sozialraumorientierung fokussiert den unmittelbaren Lebensraum von Jugendlichen und verfolgt das Ziel, gemeinsam mit ihnen das nahe Umfeld zu verändern.
Im Workshop Stadt Inklusiv wurden die Fachkräfte mit Simulationsbrillen ausgestattet, um zu erleben, wie sich der städtische Alltag für blinde oder stark sehbeeinträchtigte Menschen anfühlt und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Im vierten Workshop, „Digital Storytelling“ stand das Individuum im Mittelpunkt: Mit Hilfe digitaler Medien erhielten die Fachkräfte den Auftrag, ihre Stadtgeschichte in einer Story zu verpacken. Dafür machten sie Fotos, sammelten Eindrücke, suchten sich ein Thema und entwickelten jeweils eine ganz individuelle Stadtgeschichte, die ihr Erleben der Stadt in den Mittelpunkt stellte.
Der Fachtag wurde im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales in Marburg durchgeführt. Veranstalter waren der Verein zur Förderung bewegungs- und sportorientierter Jugendsozialarbeit e.V. (bsj Marburg) sowie die Malteser Jugend. Ziel war es, zu beweisen, dass Städte und urbane Räume sich hervorragend für das Eingehen (inszenierter) Abenteuer eignen.
Nach einem Impulsvortrag von Susanne Kaiser, Jugendbildungsreferentin des bsj Marburg e.V., wurden die Teilnehmenden in vier Workshops aufgeteilt. Dabei hatten sie ausreichend Gelegenheit, die Anwendung und Wirkung pädagogischer Methoden in der Stadt auszuprobieren und im Hinblick auf die Arbeit mit Jugendlichen zu diskutieren.
Insgesamt nahmen 65 Fachkräfte aus der Praxis an der Veranstaltung teil. Eröffnet wurde der Fachtag mit einem Podiumsgespräch, in dem sich Frau Staatssekretärin Strube, Bürgermeisterin Bernshausen und bsj-Geschäftsführerin Monika Stein zu dem Thema äußerten und den Fragen der Veranstalter stellten.
„Frau Bernshausen, wann war Ihr letztes Abenteuer, und würden Sie uns davon erzählen?“ fragte Paul Häb von der Malteser Jugend und wurde mit einer offenen und spannenden Antwort überrascht.
Alle Beteiligten bewerteten die Veranstaltung sehr positiv und gaben zurück, dass sie viele Impulse mit in andere hessische Städte und Gemeinden nehmen werden, um dort mit Jugendlichen auf die Suche nach ihrem „Abenteuer um die Ecke“ zu gehen und neue Bildungsräume für Heranwachsende zu erschließen.
